Ein gewinnendes Miteinander statt Gegeneinander.
Nach einem Jahr Unterbruch fand wiederum die Jungwein-Degustation in der Nordwestschweizer Weinbauregion statt. Sie wurde durch Ueli Bänninger und Urs Jauslin organisiert und durchgeführt, im Auftrag und auf Kosten des Verbandes der «Weinproduzenten Region Basel/Solothurn».
Urs Jauslin konnte als Gastgeber 12 Teilnehmer, die beiden eingeladenen Fachreferenten Martin Wiederkehr vom Weinzentrum und Thierry Wins von Agroscope, Wädenswil sowie den Rebkommissär vom Ebenrain Sissach, Urs Weingartner, begrüssen.
Ueli Bänninger betont gleich zu Beginn: «(…) Dies ist keine Leistungsschau, sondern Arbeit an der Qualität!». Dazu stehen 24 Jungweine zur Beurteilung bereit: rote, weisse, rosé, abfüllbereite aber auch noch unfiltrierte mit ihrem meist noch typischen Hefeton.
Die gemeinsam durchgeführte Beurteilung der degustierten Wein kann nur zusammenfassend und am besten mit dem «unmissverständlichen» Degustations-Vokabular wiedergegeben werden:
- Weissweine (meist Riesling-Silvaner): säurebetont, frisch, muskatig, citrisch, geschmeidig, schmelzig, metallisch, mit Deckel usw.
- Roséweine (Pinot Noir, Regent): erstaunliche Sorten-Ähnlichkeit, Himbeer, ausgeprägte Aromen. Und auch die Frage: Könnte sich der Regent eher zur Rosé- statt Rotwein-Vinifikation eignen?
- Rotweine: allgemein recht schöne Weine, geschmeidig, leicht, elegant, mundig, dann auch Feuerstein, Akazienholz und Kirschen usw.
- Rote PIWI-Weine: z.T. recht wuchtige Weine, die nicht einfach zu beurteilen sind. Es gilt, die Geschmacksrichtungen der neuen Sorten kennenzulernen und auch die Keller-Erfahrungen zu festigen, damit man später auf die geeignetsten Sorten setzen kann.
Erstaunlich tolle Weine, die weissen kommen sehr aromatisch daher, die roten präsentieren sich schon trinkreif. Offensichtlich hat man die Kellertechnik im Griff. Und folglich konnten mit dem schwierigen und raren Weinrohstoff von 2021 (wir erinnern: Frost, Hagel, Mehltau) erstaunlich gute Weine produziert werden. Das Jahr 2021 ist punkto Qualität etwa mit dem Jahrgang 2019 vergleichbar. «Mit diesen Weinen werden wir bei den Kunden nicht negativ auffallen», meint Urs Jauslin, «es wäre schön, wir hätten etwas mehr davon». Übrigens eine Aussage, die immer wieder zur Sprache kam: Die Weine müssen nicht nur dem Kellermeister, sondern auch für den Grossteil unserer Kunden gefällig und genussfähig sein. Dazu meint Thierry Wins: «Der Keller neigt zu aufwändigen Korrekturen im µ-Bereich, die zum Teil gar nicht nötig wären. Der Wein kommt schon gut, lasst ihn doch erst «fertig» werden».
Als Abschweifung vom eigentlichen Thema liess uns Thierry Wins einen Rosé mit zugesetzter Weinsäure mit einem mit zugesetzter Apfelsäure vergleichen, sowie auch reine Weinsäure mit Apfelsäure. Weinsäure wirkt hier angenehmer und weniger prägnant als die Apfelsäure. Dann verrät uns Martin Wiederverkehr, welche Resultate (bei einem Versuch im Weinzentrum) der Einfluss des Sönderungsaufwandes bei der Ernte auf die Weinqualität ergibt: Bei weissen Trauben ist eine zu pedantische Sönderung weit weniger ratsam (und auch nicht wirtschaftlich) als bei den roten Trauben.
Zusammengefasst darf über diesen Anlass folgendes gesagt werden: Die immer wieder von allen Seiten geforderte, nachhaltige Traubenproduktion muss einhergehen mit einer konsumgerechten, genussfähigen Weinproduktion. Ansonsten ersetzen in- und ausländische Mitbewerber und die schlagkräftigen Grossverteiler diese Fehlleistungen sehr schnell. Bei diesem interessanten Degustations-Anlass kristallisiert sich folgende Einsicht heraus: Der Weg zum Ziel – sprich: zur Qualität – führt über den uneigennützigen Austausch von langjährigen Erfahrungen sowie praktischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen. Ein ausgesprochen lehrreicher Nachmittag, den weit mehr Kellereimitarbeiter hätten nutzen sollen, denn: «Les absents ont toujours tort» (Die Abwesenden haben immer Unrecht).
Text und Bilder: Michael Jud