Piwi und neue Sorten

Wie wir sie für den Weinliebhaber zugänglich machen.

Piwi-Weine sind zwar in aller Munde, doch sieht man sich die heutigen Marktanteile, resp. Anbauflächen an, verglichen mit den traditionellen Sorten wie Pinot Noir, Chasselas etc., sind diese noch verschwindend klein. Zu gross noch ist die Unsicherheit, bestehende, absatzsichere Sorten auszureissen und durch neue Piwi-Sorten zu ersetzen.

Der seit 2020 bestehende «Arbeitskreis Nordwestschweizer Weinbau» beschäftigt sich mit der Frage: Welche Möglichkeiten bestehen im Keller, um das Beste aus den Piwi-Trauben herauszuholen und was ist zu tun, um unsere Wein-Konsumenten auf den «Piwi-Geschmack» zu bringen.

Der Arbeitskreis entstand in Zusammenarbeit vom Ebenrain-Zentrum für Landwirtschaft, Natur und Ernährung und dem Landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg. Koordiniert und moderiert von Helena Römer, Ebenrain und mit im Boot sind die Rebbaukommissäre der jeweiligen Kantone Urs Weingartner (BL/BS/SO) und Yannick Wagner (AG). Sie begleiten die Gruppe von Profi-Önologen durch das Weinjahr und versuchen mit ihnen herauszufinden, welche Möglichkeiten die Piwi-Trauben im Keller bieten und wie die verschiedenen Parameter den fertigen Wein in der Flasche beeinflussen.

 

Die Rebsorten-Wahl

Nicht nur die Widerstandsfähigkeit gegen Pilzkrankheiten und Schädlinge ist hier gefragt. Die Rebe muss sich im ihr aufgezwungenen «Terroir» erstmals wohlfühlen, sich so weit bändigen lassen, dass z. B. nicht nur Holz und Blattwerk produziert wird, sondern auch eine angemessene Ernte erwartet werden kann. Diese wiederum sollte gesund, rechtzeitig reif, auf genügend Oechsegrade und Gesamtsäure kommen, bevor die Traubenernte in den Keller kommt. Also eine zahllose Palette an Ansprüchen!

Die Auffrischung im Keller

Neue Sorten verlangen oftmals auch neue Kelterungs-Methoden und -Hilfsmittel. Was wird hier nicht alles in Gang gesetzt, um (endlich) zum «Piwi-Wein des Jahres» zu kommen.

Und hier setzt der «Arbeitskreis der Önolgen» ein weiterführendes Instrument an, das vor allem Risiken, wiederkehrende Fehler und Kinderkrankheiten mindern soll.

Weindegustation mit anschliessendem Gedanken- und fachlichem Erfahrungsaustausch

Und hier war der Schreiber dieses Beitrags mit dabei.

((Bild Degustation))

Eine breite Auswahl an Piwi-Weinen steht zur Degustation bereit:

Solaris, Sauvignon Soyhières, Sauvignac, Cabernet blanc, Johanniter, Cabernet Rosé sowie eine Vergleichssorte Kerner und eine Assemblage.

Dazu gibt es das «Erfassungsblatt», das nebst den Grunddaten (Ort, Sorte, Produzent etc.) auch die Arbeit und die Ereignisse im Rebberg während des vergangenen Jahres festhält (Düngung, Pflanzenschutz, Wetter, Infektionen, Erntezeitpunkt, Oechsle etc.).

Ebenfalls steht das «Kelterdatenblatt» zu Verfügung, wo die vollständige Kelterungs-Geschichte aufgezeichnet worden ist.

Die verteilten Punkte auf dem «Degustationsblatt» (100-Punkte-System) lösen dann eine eigentliche Diskussion aus. Dann kommen eben auch die oben erwähnten Blätter zum Zuge. Schneller wird man sich einig, wenn im Rebberg und im Keller alles optimal gelaufen ist und ein Wein so eine hohe Punktezahl erreicht. Anders hingegen, wenn ein Wein nicht ganz gelungen daherkommt. Hier sucht man nicht nur nach Gründen fürs schlechte Abschneiden, sondern auch die geeigneten Rezepte, respektive Verbesserungsmöglichkeiten – so quasi «die Hilfe zur Selbsthilfe».

 

Fazit

Werden wir zu Gunsten eines ökologischeren Rebbaus die Weinbauern überzeugen können, traditionelle Sorten mit Piwi-Sorten zu ersetzen? Die notwendigen Voraussetzungen dafür sind uns heute bekannt:

  • Die Erfolgsaussichten bei einer Umstellung auf neue Sorten muss für die Weinbauern einschätzbar sein.
  • Die Vinifikation der Piwi-Weine muss vor einer Markteinführung beherrscht sein.
  • Die neuen, vielleicht noch ungewohnten Weinaromen müssen zuerst beim Weinhandel und dann auch beim Weinliebhaber und in der Gastronomie ankommen. Vielleicht sind hier neue Marketingideen gefragt.

Noch sind erst um die 1% der schweizerischen Rebfläche mit neuen Sorten bepflanzt. Es liegt noch eine grosse Umstellungsperiode vor uns – wir rechnen mit dem Engagement der künftigen Weinbauern-Generationen.

Interessierte Weinbauproduzenten, welche selbst Piwi-Weine keltern und Interesse haben, regelmässig am Arbeitskreis teilzunehmen, dürfen sich bei helena.roemer@bl.ch melden.

Was zählt sind – so meint es wenigstens der heutige Gastgeber Siebe Dupf:

Tenniken, 21.06.2023, Michael Jud